Merlin Klein, Haartagebuch/ Archiv, Die tägliche Rausur,

„Haartagebuch“

Seid September 2018 führe ich ein Archiv. Eine Art Tagebuch.

Ich erlebe einen Tag und am morgen rasiere ich mir die Haare, die ich an dem Vortag trug und konserviere sie in einem durchsichtigen Plastikdöschen. Das Döschen wird mit Datum und einer Tätigkeit oder einem Ereignis des vergangenen Tages beschriftet. Die Haare sind dank der Durchsicht zu sehen, sie erinnern in der Form an einen sehr kleinen Haufen Asche. Die Döschen mit den Haaren im inneren wirken wie kleine Urnen, und irgendwie sind sie es ja auch.

Der Ursprung der Idee war im Schmuck angesiedelt. Zu anfangs waren die Döschen einzeln käuflich zu erwerben. Es ging mir um das Thema: Was ist der Tag wert.

Ich stellte mir am Anfang die Frage: wie nach Kauf wohl mit meinem Tag umgegangen wird. Landet er als Beigabe im Müsli, als temporärer Schmuck auf der Bluse, oder als Sammlerstück im Setzkasten? Zum Glück wollte niemand einen Tag von mir kaufen.

Die Zeit verging und je mehr Döschen ich hatte um, so klarer wurde mir das es nicht mehr funktioniert mit der Idee einzelne Döschen abzugeben. Die anfängliche Schmuckarbeit wurde zu etwas Neuem. Einer Zeitmessung, in der ich mit dem Finger auf jeden einzelnen vergangenen Tag zeige. Mit dem Ablaufen der Zeit bewusst werde. Nach vorne schaue und jeden neuen Tag feier.

Ich bin jetzt im 4ten Jahr der täglichen Rasur und ich weiß noch nicht wann ich damit aufhöre. Es sind schon über 1000 Döschen, bzw. Tage.